Supervision und die Frage „nach dem Nachbohren“

Supervision und die Frage „nach dem Nachbohren“

Diese Woche war ich bei einem Kennenlerntermin…

Meistens läuft das so ab, dass ich den Teams von mir und meiner Arbeitsweise erzähle und auch schildere wie Supervisionen bei mir üblicherweise verlaufen: Ich beginne in der Regel damit, dass ich alle Teilnehmenden „einsammle“, indem ich eine sogenannte Einstiegsübung auswähle. (Da ich hierbei den Ehrgeiz habe, dass ich nach Möglichkeit keinen Einstieg doppelt wähle, könnte ich mittlerweile ein Buch zu Einstiegsübungen schreiben – dies nur nebenbei.)

Danach gebe ich Raum und lade ein, eigene Themen und Sachverhalte vorzubringen. Das können sowohl Fall-Supervisionen wie auch Themen innerhalb des Teams sein. Was auch immer vorgebracht wird, ich sortiere es, ich mache es sichtbar, ich visualisiere das Thema und frage so lange nach, bis ich und alle anderen das Thema greifen können – bis ich begriffen habe, worum es geht. Dann kann ich für die anderen Übersetzerin sein und es für alle plausibel und wahrnehmbar machen. Für die Bearbeitung wähle ich dann eine oder zwei Methoden, die ich optional vorschlage oder ich schlage einen erprobten Weg ein.

Manchmal ist es so, dass es sogenannte Stellvertreter-Themen gibt.

Menschen schieben ein Thema vor, weil sie über ein anderes lieber nicht sprechen möchten. Da ich mit erwachsenen und gesunden Menschen arbeite, habe ich die Haltung, dass Themen dann besprochen werden, wenn sie reif dafür sind. Es gibt gute Gründe, warum Themen durch ein Team „wabern“, jedoch noch nicht geäußert werden.

Bei diesem Kennenlerntermin nun wurde ich gefragt, ob ich nachbohren würde, wenn mir so ein Thema spürbar würde. 

Ich tue dies nicht.

Je nach Situation und Vertrautheit spreche ich an, wenn mir etwas merkwürdig vorkommt, wenn ich also Dissonanzen spüre, die nicht verbalisiert wurden. Nachfragen? Ja! – Nachbohren? Niemals. 

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass die betroffenen Menschen sprechen werden, wenn die Zeit gekommen ist. Wenn sie also die Kraft und den Mut haben, eine Unstimmigkeit auszusprechen. Ich mache zwar Mut und bin da, um Konflikte in Bahnen zu lenken, die für alle verträglich sind. Trotzdem bleibt es eine hohe Hürde, innerhalb eines Teams auszusprechen, wenn mir an einer Kollegin etwas nicht passt oder ich mich gar verletzt gefühlt habe. Überlegen Sie mal selbst: Gedanken zu einer Person, die mir weh getan hat. Aufschreiben meiner Gedanken dazu und zuletzt aussprechen der Gedanken dort wo sie hingehören – direkt zu dieser Person. Das sind drei Schritte, die eine/r durchlaufen muss, um seinem/ihrem Gegenüber die eigene Verletztheit oder Wut zu gestehen. Und es gibt eben Tage an denen kann man das noch nicht. Und manchmal gibt es Angelegenheiten, da kann man es auch in den nächsten wieviel Tagen noch nicht. Vielleicht muss man das erstmal für sich selbst klar bekommen, was eigentlich passiert ist.

Ich werde daher niemals nachbohren. Nachfragen? Ja! Nur wenn die Person noch nicht so weit ist, dann muss eine Angelegenheit noch etwas Zeit haben, bis sie besprochen und betrachtet werden kann. Erwachsene Menschen sind selbst verantwortlich dafür, was in der Supervision auf den Tisch kommt. Ich bin da und halte alle Fäden in der Hand, schaffe Raum und gebe Vertrauen, balanciere aus und mache Mut – aber zwingen etwas zu äußern, würde ich niemals jemanden. Dies muss in der Entscheidung des Einzelnen liegen. Sonst mache ich mehr kaputt als ich Gutes tue.

Deswegen bohre ich nicht nach!

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